Thoelke, Bärbel
Zur eigenen Arbeit
Thoelke, Bärbel: Porzellan
In: Keramik in der DDR - 5. zentrale Ausstellung Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg 1989. Katalog, S. 30-33
Porzellan - ein faszinierender, durch sein besonderes Brennverhalten schwer zu beherrschender Werkstoff, spröde und unberechenbar wie etwas Lebendiges. Jahrelange Erfahrungen, Training und Routine schützen nicht vor bösen Überraschungen. Von allen keramischen Materialien hat Porzellan den engsten Bezug zur manufakturellen bzw. industriellen Herstellung. Das liegt sicher nicht nur an seinen hohen Gebrauchswerteigenschaften. Die kühlen und glatten Oberflächen vermitteln eine Art der Distanz und Neutralität, die so ziemlich jede Ausdrucksmöglichkeit zulässt. Platte Trivialität, solide Gediegenheit, bestechende Eleganz, originelle Schönheit - alles existierte und existiert gleichzeitig und nebeneinander. Zeitbezogenheit kann also auf mannigfaltige Weise geäußert werden.
Wahrscheinlich ist es dieses Phänomen, das mich anzieht und antreibt. Das Gefäß ist auch für meine freien Arbeiten die Basis - bei aller Verfremdung und Überhöhung bleibt seine Funktion als Gebrauchsgegenstand erhalten. Ausgangspunkt ist ein Grundkörper mit ausgewogenen Proportionen. Die Idee dazu wird so umgesetzt, dass das Ergebnis mit mehr oder weniger Aufwand auch seriell zu produzieren ist. Diese Arbeitsphase dauert lange, verlangt Geduld und Akribie und bedeutet dennoch die Hälfte allen Spaßes.
Veränderungen der Proportion durch Verkürzung der Längsachse, Randausbogung, Applikation, Reservage und nicht zuletzt das Einfärben des Porzellans verwandeln den Archetypus in ein unwiederholbares Einzelstück. Diese Art des Machens ist für mich keine Notlösung, kein Ersatz für die Arbeit als Industriedesigner, sondern eine Methode, mich auf meine Weise zu äußern. Sie macht es mir möglich, meine ganz persönlichen Vorstellungen von einem Gegenstand zu realisieren, mit dem man im Alltag gerne lebt und der vielleicht nur dann stört, wenn er fehlt.
Meine freien Arbeiten sind nicht unbedingt ein Kontrastprogramm zur Industrie. Ich verstehe sie als Anregung zur Ideenfindung – in erster Linie für mich selbst.